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Die Erfahrung der Wahren Wirklichkeit - the open secret

Tony Parsons in "The open secret" - Erlebnis im Park

"Eines Tages ging ich durch einen Park in einem Vorort Londons. Beim Gehen bemerkte ich, daß mein Geist völlig mit Erwartungen beschäftigt war, was in Zukunft eintreten könnte oder nicht. Ich beschloss ganz bewußt, diese Projektionen loszulassen und einfach mit meinen Schritten zu sein. Ich bemerkte, daß jeder Schritt für sich ganz einzigartig vom Gefühl und vom Druck her war und daß das einen Moment anhielt und im nächsten bereits wieder vorbei war und sich nie wieder genauso wiederholen würde.
Während all das geschah, fand ein Übergang statt: Ich war nicht länger Zeuge meines Gehens, nur Gehen geschah. Was dann passierte, kann einfach nicht beschrieben werden. Ich kann nur unzulänglich in Worten wiedergeben, wie sich eine totale Stille und Gegenwärtigkeit über alles senkte. Alles wurde zeitlos und ich hörte auf zu existieren. Ich hatte mich aufgelöst und es gab keinen Erfahrenden mehr.
Es geschah Einssein mit allem. Ich würde nicht sagen, ich war eins, denn mich gab es nicht mehr. Das einzige, was ich sagen kann, ist: Es war Einssein mit allem, was geschah, und überwältigende Liebe durchströmte alles. Gleichzeitig damit stellte sich ein totales Verstehen von allem ein. Alles geschah in einem zeitlosen Blitz, der ewig schien. Als Teil dessen und sich daran anschließend vollzog sich eine so großartige und revolutionäre Offenbarung, daß ich mich ins Gras setzen musste, um sie zu verdauen. Was ich sah, war einerseits einfach und offensichtlich, andererseits überhaupt nicht mitteilbar. Es war, als hätte ich eine Antwort erhalten, der keine Frage vorausging. Mir wurde ein Geheimnis offenbart, das ein offenes Geheimnis ist. Und mir wurde klar, daß absolut alles Bekannte oder Unbekannte dieses offene Geheimnis beinhaltet und widerspiegelt. Die Natur, die Menschen, Geburt und Tod, unsere Streitereien, unsere Ängste und unsere Sehnsüchte sind alle in jener bedingungslosen Liebe enthalten und spiegeln sie. Welten und Leben zogen in rascher Folge vor meinem inneren Auge vorbei, und alles bekam einen neuen Sinn. Ich schaute das Gras an, Bäume, Hunde und Menschen, die sich wie zuvor bewegten, aber jetzt wurde mir nicht nur ihr absolutes Sein bewußt, sondern ich war ihr Sein, genauso wie sie mein Sein waren. Es war mit anderen Worten so, als ob alles, einschließlich ich selbst, in tiefe und allumfassende Liebe gehüllt wäre, und in merkwürdiger Weise schien es mir, daß das, was ich sah, trotzdem irgendwie auch nichts Besonderes war... es ist das Gewöhnliche, das man meistens nicht wahrnimmt.
Warum ich und gerade jetzt? Wie hatte ich es verdient, solch ein Geschenk ohne Gegenleistung zu empfangen? Ich war vom biblischen Verständnis her oder an irgendeinem anderen anerkannten Maßstab gemessen sicherlich kein reiner Mensch. Ich hatte kein diszipliniertes Leben in Meditation oder in spiritueller Hingabe geführt. Diese Erleuchtung war ohne irgendeine Anstrengung meinerseits eingetreten. Ich hatte einfach begonnen, mein Gehen auf eine sehr leichte und natürliche Weise wahrzunehmen, da kam dieser Schatz zum Vorschein.
Ich begann auch zu erkennen, daß dieses offensichtliche Geschenk immer vorhanden gewesen war und es immer sein würde. Das war die wundervollste Entdeckung überhaupt! Völlig unabhängig davon, wo, wann oder wie ich mich befand, konnte diese Gegenwärtigkeit zum Vorschein kommen und mich erfassen. Und dieser Schatz musste nicht durch anstrengende und scheinbar wichtige spirituelle Übungen und Rituale wiederentdeckt werden. Ganz und gar nicht.
Dieser so wunderbare und alles umfassende Schatz war im Innersten eines Schrittes vorhanden, im Geräusch eines Traktors, in meinem Gefühl von Langeweile, im Dasitzen einer Katze, in der Empfindung von Schmerz und Zurückweisung, auf einem Berggipfel oder mitten auf einer Hauptverkehrsstraße. Überall bin ich ganz und gar umgeben und durchdrungen von Stille, bedingungsloser Liebe und Einssein.
Später begann ich mich zu fragen, wie man diesen Schatz bewahren könnte. Aber ich bin immer wieder zu der Erkenntnis gelangt, daß das, was ich wiederfinden wollte, nicht erlangt oder bewahrt werden kann. Ich muß nichts tun, und gerade der Glaube, ich müsse irgendetwas tun, um diesen Schatz zu verdienen, überschattet sein Bereits-Vorhanden-sein. Und hier stößt man erneut auf das Paradox, denn die göttliche Führung ist ständig da, einfach dadurch, daß wir sie zulassen. Sie ist immer abrufbar, in einem ewigen Zustand der Bereitschaft... wie der uns zur Seite stehende, treue Geliebte ist sie bereit, auf jeden Ruf von uns zu reagieren. Sie ist da, ob ich sie zulasse oder nicht. Sie bedarf keiner Anstrengung, stellt keine Anforderungen und hegt keine Vorlieben. Dadurch, daß sie zeitlos ist, gibt es für sie keinen Weg, den man beschreiten muß, und keine Schuld, die zu begleichen ist. Denn es gibt für sie kein "richtig" oder "falsch", kein Urteil und keine Schuld. Ihre Liebe ist absolut bedingungslos. Sie beobachtet einfach mit Klarheit, Mitgefühl und Freude, wie ich zu meiner Heimkehr aufbreche. Sie ist mein Geburtsrecht. Mein Zuhause. Und bereits das, was ich bin."

Mein Kommentar: Die Erfahrung klingt tiefgreifend und authentisch, die "belehrende Konsequenz" "Es gibt keinen Weg, alles ist schon da, alles geschieht einfach" etc., eine weit verbreitete verkennende Schlußfolgerung aus solcher Erfahrung bei den "Neo-Advaitis", stimmt natürlich nicht. Sie generiert lediglich "Satsang-Schüler", die dann hoffen, durch ständiges Hören dieser Behauptungen schließlich selbst zu einer solchen Erleuchtungserfahrung zu kommen. Niemals hat Derartiges etwa Ramana Maharshi (die allererste Autorität auf diesem Gebiet) behauptet und verkündet. Dazu passt sehr verräterisch eine Bemerkung von Tony Parsons, die ich selbst bei einem Satsang (die ich sonst nicht besuche!) in München gehört habe: "Ramana Maharshi was only a teacher". Hier liegt leicht erkennbar eine Verwechslung der Personen vor. Mehr zum Thema: "Trau keinem Erwachten..."
Text aus Tony Parsons: "The open secret", aus dem Engl, von Ulrich Graf. - 1. Aufl. - Freiburg i. Br. : Lüchow, 2000 ISBN 3-925898-86-7 |