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 Träume - selbst verstehen

Auszug aus dem Buch Reinhold Pertler "Transpersonale Selbsterfahrung" (vergriffen - wird neu aufgelegt)

Jeder Mensch träumt: Aus der experimentellen Traumforschung ist seit langem bekannt, daß alle Menschen träumen, also auch diejenigen, die behaupten, sich nie an ihre Träume erinnern zu können. 1953 wurde von dem Schlafforscher NATANIEL KLEITMAN aus Chicago durch Zufall bei der Untersuchung des Schlafverhaltens von Säuglingen entdeckt, daß es während des Schlafes Perioden schneller Augenbewegungen gibt, die sogenannten REM-Phasen (RAPID-EYE-MOVEMENTS). Man führte dann Experimente mit Erwachsenen durch, die in REM-Phasen aber auch in Nicht-REM-Phasen geweckt wurden. Dabei stellte sich heraus, daß man besonders während der sogenannten REM-Phasen träumt. Die Träume während dieser REM-Phasen sind lebendig und farbig. Der Körper ist dabei fast unbeweglich, es lassen sich aber Zeichen starker innerer (autonomer) Erregung feststellen, erkennbar an an der Steigerung von Puls, Atem, Blutdruck und den Gehirnfunktionen. Ein Erwachsener hat pro Nacht etwa 1-2 Stunden REM-Schlaf, verteilt auf etwa vier bis sechs Schlafperioden. Die Traumperioden sind unterschiedlich lang. Am Anfang der Schlafenszeit dauern sie etwa 10 Minuten, gegen Ende werden sie länger, bis zu etwa 30 Minuten. Auch in Nicht-REM-Phasen wird geträumt. Diese Träume sind dann allerdings kürzer, "grau" und "gedankenähnlich", weniger gefühlsbetont und mehr durch Tageserinnerungen beeinflußt. Daß manche Menschen behaupten, nie zu träumen, liegt einfach an der experimentell festgestellten Tatsache, daß die meisten Träume sofort wieder vergessen werden. Auch Persönlichkeitsfaktoren spielen noch eine Rolle. So gibt es "Erinnerer" und "Nichterinnerer", die beim REM-Schlaf schnellere Augenbewegungen haben, was für eine unbewußte Abwehrhaltung spricht. Mit geeigneten Therapiemethoden gelingt es aber meist, für die Persönlichkeitsentwicklung wichtige Träume wieder bewußt zu machen. Versuchen Sie doch bitte dazu gleich eine Übung
Übung zur Entdeckung wichtiger Träume:
Setzen Sie sich bequem und entspannt, aber doch gerade hin und schließen Sie die Augen. Verlagern Sie Ihr Bewußtsein nach innen und verfolgen Sie Ihre Atemzüge eine Zeitlang, bis Sie tiefer und tiefer in die Ruhe hineingleiten. Nun stellen Sie sich Ihr Inneres als Haus mit vielen Zimmern vor und bewegen sich auf eines dieser Zimmer zu, das die Aufschrift "Meine Träume" trägt. Öffnen Sie die Tür und sehen Sie sich dort um nach einem "wichtigen Traum in meinem Leben". Dieser Traum muß nicht lang sein, es genügt schon ein einziges Bild. Beschließen Sie, diesen Traum mitzunehmen und kehren Sie dann langsam wieder in den Körper zurück. Atmen Sie wieder bewußt und machen Sie die Augen auf. Schreiben Sie sich nun den Trauminhalt auf. Wir werden später auf den Traum zurückkommen, den Sie so gefunden haben.
Es ist also sicher, daß wir jede Nacht träumen. Die Frage ist nur, ob die Träume sinnvoll sind und ob man sich überhaupt mit ihnen beschäftigen soll. Die Antwort darauf ist in der psychologischen Fachwelt umstritten. So gibt es Meinungen von Forschern, nach denen Träume eigentlich sinnlos sind und nur ein entlastendes "Feuern" der vom Tage her noch erregten Nerven darstellen. Am anderen Ende der Skala stehen "esoterische Traum-Fanatiker", die das Gebiet sicher überbewerten, "Traum-Magier", die bestimmte Trauminhalte für jede Nacht "herbeiüben" wollen, den Körperaustritt, also "Astralreisen" im Traum anstreben und ähnliches. Beim Lesen entsprechender Bücher bekommt man den Eindruck, als solle die Traumwelt hier Ersatz für "nicht gelebtes Leben" sein. Ich glaube, daß die Wahrheit in der Mitte liegt. Das heißt, daß alle Träume sinnvoll oder zumindest sinnvoll konstruiert sind, daß aber die allermeisten nicht so bedeutend sind, daß man sich um sie kümmern müßte. Das ist schon wegen der großen Anzahl der Träume in einem ganzen Leben plausibel. Die Zeit würde ganz einfach nicht reichen, um sich mit so vielen Träumen zu beschäftigen. Jeder kennt aber Träume, die eine besondere Qualität haben, die stärker im Gedächtnis haften als andere, die einen noch tagelang beschäftigen, in die eigenartige Stimmung einer "intensiveren, anderen Wirklichkeit" versetzen.
In solch einem Fall habe wir in den Traumbildern einen Zugang zu den KRÄFTEN, die unser SCHICKSAL gestalten. Wenn wir unsere Träume dann wieder lebendig werden lassen, uns in sie einfühlen, kann sich ihre SYMBOLSPRACHE von selbst entschlüsseln und uns den Weg öffnen für ein bewussteres und freieres Leben. Für Träume dieser Art sollte man ein Grundwissen haben, was es mit dem Träumen auf sich hat und wie man mit den Traumbotschaften umgehen, ihnen Hinweise für den Alltag und das Leben entnehmen kann. Im folgenden werde ich den Umgang mit Träumen von der praktischen Seite her beleuchten, Ihnen ein Wissen geben, das Sie direkt umsetzen können. Die Behandlung von Traum-Theorien dagegen soll mehr im Hintergrund bleiben.

DIE TRAUMARBEIT IN DER GESTALT-THERAPIE (nach F. S. Perls, dem Begründer der Gestalttherapie)

Im Laufe seiner Entwicklung sind jedem Menschen (aus den verschiedensten biographischen Gründen) Teile seines ICH fremd geworden, er musste sie verleugnen, abspalten, verdrängen. So sind "Löcher in der Persönlichkeit" entstanden, die wir nicht anschauen wollen, um Schmerz zu vermeiden. Im Wachleben projizieren wir dann unsere Fehler, unsere ungelebten positiven und negativen Möglichkeiten auf die Umwelt (= PROJEKTION), nachts aber kommen die verdrängten Persönlichkeitskräfte als TRAUMBILDER und TRAUM-GESCHEHNISSE zum Vorschein. Das Traum-Bewusstsein ist also eine Art LEINWAND für die Projektion der ichfremden Persönlichkeitsteile. So ist der Traum mein ureigenes Produkt, ich selbst BIN ALLES, WAS MIR IM TRAUM ERSCHEINT, sogar die leblosen oder mir unwichtig scheinenden Dinge.
Diese Auffassung hat gewisse Parallelen zur Psychoanalyse, neu ist aber bei der GESTALTARBEIT am Traum der Umgang mit den Traumbildern, der ganzheitliche Ansatz, der nicht in intellektuellen Deutungen steckenbleibt. TRAUMDEUTUNG heißt hier im wörtlichen Sinn ARBEIT, man tut etwas mit dem Traum, macht ihn lebendig, spielt die ichfremden Teile, macht die Konflikte zwischen ihnen bewußt und holt sich so die fehlinvestierte psychische Kraft aus den Traumteilen wieder zurück. Dann wird der Mensch auch im Wachleben wieder lebendiger, bewußter, spontaner und kreativer. Diese Art der Traumarbeit ist die effektivste, aber auch die schwierigste. Sie verlangt den Mut, sich ganz realistisch mit den Schattenseiten der Person, wie sie sich im Traum ausdrücken, auseinanderzusetzen, Übungen zu machen, die auch die Gefühle, die Atmung und den Körper bei der Traumdeutung miteinbeziehen. Versuchen Sie nun gleich einmal selbst, nach Gestaltprinzipien den gefundenen Traum zu bearbeiten. Gehen Sie dazu mit ihrem Traum die im folgenden aufgeführten Schritte durch.

SCHRITTE DER GESTALT-ARBEIT AM TRAUM

1) Erzählen Sie noch einmal (laut) sich selbst das Traumgeschehen in der Gegenwartsform so, als ob es gerade jetzt ablaufen würde, möglichst lebendig und realistisch.
2) Schreiben sie alle Traumteile auf, auch unscheinbare oder leblose Dinge.
3) Versetzen Sie sich nun in jeden Traumteil hinein, versuchen Sie also, ein Haus, ein Autoreifen, eine Spinne, ein bestimmter Mensch zu werden. Spüren Sie dabei: Wie fühlt sich dieser Traumteil, was will er, was hat er für Absichten? Sie können dem Traumteil auch eine Stimme geben, ihn laut reden lassen. Wenn Sie sich so der Reihe nach mit allen Traum-Elementen identifizieren, kann es gut sein, daß Ihnen schon einiges über die Bedeutung aufgeht. Es können sich aber auch Polaritäten, Kontraste, Konflikte zwischen zwei Traumteilen herausbilden. Stellen Sie also im nächsten Schritt fest
4) Was ist der bedrohlichste Traumteil, was der auffallendste was sind unscheinbare oder offensichtlich fehlende Teile (die aber gerade deshalb eine große Rolle spielen können)? Wenn Sie das intensiv genug machen, entstehen mit Sicherheit
5) Konflikte, Widersprüche zwischen zwei oder mehreren Traumelementen. Dieser Konflikt nun entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit einem tiefen inneren Konflikt in Ihnen selbst. Die Arbeit am Traum in dieser Weise bietet eine Möglichkeit, ihn zu lösen. Benutzen Sie dazu den
6) Gestalt-Dialog: Setzen Sie sich auf einen Stuhl, spielen Sie einen der beiden Traumteile und sprechen sie zum zweiten Traumteil, der (in der Vorstellung) Ihnen gegenüber auf einem zweiten Stuhl sitzt. "Erfinden" Sie nun, ohne groß darüber nachzudenken, einen Dialog. Wechseln Sie jeweils die Plätze und versuchen Sie, eine Versöhnung, einen Kompromiß zu finden. Wichtig ist dabei, den Dialog nicht nur "im Kopf" zu führen, sondern dabei auch auf die Gefühle und Körperreaktionen zu achten und sie ins Spiel zu bringen, sie auszusprechen. Wenn Sie Glück haben, können Sie schon bei diesem Selbstversuch überraschende Einsichten, Deutungen und auch Lösungen der Traumproblematik finden. Wenn Sie die Übung schwierig finden, kann Ihnen vielleicht die Lektüre von "GESTALT-THERAPIE IN AKTION" von Fritz Perls helfen, worin viele solcher Dialoge genau wiedergegeben sind.
Am besten lernt man diese Methode unter praktischer Anleitung in einem Kurs oder in Einzelarbeit. Hier kommt es dann nicht selten vor, daß die Traumarbeit in tiefe Schichten der Persönlichkeit führt und nicht nur Deutung vermittelt, sondern auch Durchbrüche möglich macht, die von gravierenden Lebensproblemen befreien können.
Ein Beispiel:  In einer Traum-Gruppe bringt ein junger Mann, nennen wir ihn Hans, folgenden Traum: "Ich träume, ich bin auf einer Galerie in einem dunklen Raum oder auch in einer Art Speicher. Ich blättere da in einem Buch. Plötzlich ist mir, als bewege sich im unteren Teil der Wohnung eine unheimliche Gestalt, die so etwas ähnliches wie ein Schwert in der Hand hält. Das macht mir große Angst und ich wache schweißgebadet auf." Ich schlage ein Experiment vor, daß im Spielen des Traumes besteht. Hans soll die unheimliche Gestalt selbst spielen, sich im unteren Teil der Wohnung umherbewegen und dabei sein Bewußtsein auf den Mann "oben" richten. Hans schleicht also nun herum, kommt dabei immer mehr in Erregung, ins Zittern. Ich gehe unbemerkt von hinten an ihn heran und umarme ihn plötzlich, überraschend ganz kräftig, so daß er sich nicht mehr bewegen kann und Angst bekommt. Durch diesen "Kunstgriff" kippt die Wahrnehmung von Hans um: Ich als Therapeut bin plötzlich der "schwarze Mann", er selbst fühlt sich jetzt als sein eigener Bruder (der bislang im Traum gar nicht aufgetaucht war!), der nun wehrlos ist und "fertiggemacht" wird. Ich lasse Hans wieder los. Dann bricht es bei ihm unter Tränen heraus: Das bin ja ich! Ich hab ja so einen Haß auf meinen Bruder. Der war immer gescheiter als ich!" Hans hat also erlebt, daß er im Traum selbst als sein eigener Bruder auf der Galerie sitzt und "gescheiter" ist (=in einem Buch liest), die Gestalt mit dem Schwert unten in der Wohnung war aber auch er selbst, die Personifizierung des Hasses auf seinen Bruder. Wir schließen einen Gestalt-Dialog mit dem Bruder an, der noch mehr in die belastende Geschwister-Situation hineinführt. Für Hans ist nicht nur der Haß auf den Bruder deutlicher geworden, sondern er kann zum ersten Mal nun auch eigene Vorzüge und Fähigkeiten nichtintellektueller Art bei sich entdecken und somit den Bruder eher "gescheit sein lassen". Der Gestalt-Dialog endet damit, daß Hans das Gefühl bekommt, eine neue, bessere Beziehung zu seinem Bruder aufbauen zu können.

DER SINN DER TRAUMARBEIT

Traumarbeit soll nicht Selbstzweck werden und auch nicht der Lebensflucht dienen. Man wird sonst zum "esoterischen Traumspezialisten", der sich mehr im "Astralreich" mit seinen phantastischen Möglichkeiten und selbstgesteuerten Wunschträumen als im realen Leben aufhalten will. Dieses reale Leben ist schon Traum genug. Mit Maßen betrieben kann die Traumarbeit aber helfen, Schritte auf dem Weg der Persönlichkeitsentfaltung zu fördern und besser zu verstehen. Das eigentliche Ziel der Traumarbeit kann nicht sein, möglichst viele Träume zusammen mit Deutung "zu sammeln", sondern besteht darin, daß wir durch den Kontakt zu den Tiefenschichten unseres Wesens eine größere Bewußtheit und Wachheit erreichen, die uns hilft, schließlich über die Befassung mit den Träumen hinauszugehen.
Das Traumreich ist ein "Zwischenreich". Wir brauchen es also nur soweit kennenzulernen, daß wir mit den in ihm wirkenden Kräften ohne Verdrängung umgehen können. Danach sollten wir es hinter uns lassen, um freier aus unserer MITTE heraus zu leben. Schließlich kann man dahin kommen, daß man sich mit seinen Träumen im Grunde kaum mehr beschäftigen muß.

Solche Haltung wird idealisiert in einem indischen Sprichwort ausgedrückt: "EIN WEISER TRÄUMT NICHT."

 

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