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Ziele und Formen der Meditation

MEDITATION ist die eigentliche und letzte Stufe der Selbsterfahrung. Alle anderen Selbsterfahrungs-Methoden können Meditation nicht ersetzen, sondern nur auf sie vorbereiten, sie allenfalls unterstützen. 
Der Begriff MEDITATION wird leider mehrdeutig für die verschiedensten Verfahren der Entspannung, der Betrachtung und Besinnung verwendet. Gemeinsam ist den meisten dieser Methoden, dass sich die Aufmerksamkeit des Übenden auf INHALTE, also auf Bilder, Gefühle, Phantasien, Symbole, Körperempfindungen richtet. Mit KONTEMPLATIVER MEDITATION, KONTEMPLATION oder SCHWEIGE-MEDITATION bezeichnet man dagegen eine Übung, die sich mehr und mehr von der Vielfalt seelischer Bilder und Inhalte löst und somit "einfacher" wird. Es geht um die "einfache" Übung, sich absichtslos ganz EINER Sache zu widmen. Diese Meditation zielt also durch die psychischen Schichten hindurch in eine größere Tiefe, auf das EINE in uns und in allen Dingen. Und diese Ausrichtung auf das EINE kann VIELES bewirken, das dann "von selbst" zustande kommt. Das Loslassen der inneren und äußeren Vielfalt ist also kein Verlust, sondern ein Gewinn. Wir suchen beim Meditieren nicht aus eigener Kraft nach Wirkung und Erfolg, sondern überlassen uns vertrauensvoll einer ORDNENDEN INSTANZ, die umso mehr in Funktion tritt, je mehr wir uns auf sie ausrichten und alles andere loslassen. Diese meditative Haltung der Hingabe ist am besten verwirklicht in der neuen GEGENWART-Meditation, eine auch für mich selbst bahnbrechende Neuentdeckung einer "uralten Sache", die eigentlich jedem vertraut ist und die ich im Lauf der zwei vergangenen Jahre immer intensiver für mich entdecken durfte.
Eine weitere besondere Meditationsform ist der "headless way" nach Douglas E. Harding: Meditation im Sinne der kontemplativen oder der Zen-Meditation besteht in der Konzentration der Gedanken und Sammlung des Bewusstseins in einen Punkt, bis schließlich der letzte Gedanke verschwindet und die Erfahrung des reinen Seins geschieht. Im headless way wird die Sammlung der Gedanken durch besondere Wahrnehmungsübungen ersetzt - man "sieht" im buchstäblichen Sinne in seine Wahre Natur... Mehr zum headless way....
Ähnliches, also Meditieren über das Sehen, geschieht in der Meditation mit den Tafeln von Chartres. Europa hat in den TAFELN VON CHARTRES seine eigene archaische Meditationstechnik über die Augen -  eine ganz besondere Anleitung für die Achtsamkeit des Herzens und den Blick ins NICHTS, die in der Wirkung den östlichen Meditationsformen absolut ebenbürtig ist. Mehr zur Chartres-Meditation...

Bei konsequenter Übung (welcher Meditationsform auch immer) kommt es zu einem Prozess der SELBSTERFORSCHUNG und SELBSTENTFALTUNG, bei dem der heilende Einfluss unseres tieferen WESENS auf Körper, Seele und Geist immer mehr erfahren werden kann: Es kommt zur Lösung von körperlichen und seelischen Spannungen, der Verminderung von Ängsten, zur Linderung psychosomatischer Symptome. Wir leben und erleben intensiver, werden wacher, bewusster, intuitiver und kreativer, haben mehr Lebensfreude. Parallel dazu wird man immer weniger abhängig von Suchtmitteln und von äu­ßeren Anregungen. Wir lernen, die Ereignisse unserer Lebensgeschichte im tieferen Zusammenhang und in einer versöhnlicheren Perspektive zu sehen. So gehen wir bei längerer Übung durch einen fortlaufenden persönlichen Wachstums- und Reifungsprozess, der sich auch auf unser soziales Umfeld positiv auswirkt. Wir kommen mit unseren tieferen, echten Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen in Kontakt, entwickeln unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten weiter. Wenn wir uns so wahrhaft selbst begegnen, kommen wir auch dahin, den Mitmenschen tiefer zu sehen und zu begreifen, ihn eher annehmen und besser mit ihm umgehen zu können.

KÖRPERLICHE UND SEELISCHE WIRKUNGEN DER MEDITATION

In den letzten Jahren sind immer mehr Untersuchungen über die körperlichen und seelischen Wirkungen der Meditation durchgeführt worden, besonders im Zusammenhang mit der ZEN-Meditation und der sogenannten Transzendentalen Meditation (TM). Diese Untersuchungen geben deutliche Hinweise darauf, daß an den eingangs erwähnten positiven Wirkungen der Meditation auch objektiv etwas dran ist.
Wichtiger als das Nachlesen von Forschungsergebnissen über die Erlebnisse anderer Meditierender ist natürlich immer das Sammeln eigener persönlicher Erfahrungen mit der Meditation. Trotzdem sei hier ein Überblick über die wichtigsten Resultate gegeben (nach SCHWÄBISCH-SIEMS):

a) körperliche Wirkungen der Meditation:

  • der elektrische Hautwiderstand nimmt ab (ein Indiz für zunehmende Entspannung und Angstfreiheit), der Sauerstoffverbrauch des Körpers nimmt ab, und zwar sogar gelegentlich stärker als im Schlaf, die Atemfrequenz nimmt ab, der Blutdruck sinkt, das Herz schlägt langsamer. Alpha-Wellen treten vermehrt im Elektro-Enzephalogramm (EEG) auf, ein Indiz für größere entspannte Wachheit, bei länger Übenden treten auch Theta-Wellen vermehrt im EEG auf. Der Milchsäurespiegel im Blut nimmt ab, ein Hinweis auf abnehmende Angstbereitschaft.

b) therapeutische Wirkungen der Meditation auf Psyche und Verhalten

  • Durch Meditation erfahren wir ein Gefühl der Geborgenheit, des zunehmenden Grundvertrauens, die Gefühle der Selbstannahme und der angenehmen Gelöstheit steigern sich, es kommt zur Zunahme der intellektuellen Fähigkeiten, der Lern- und Erinnerungsfähigkeit, zu Verringerung von Schlaflosigkeit und Angst, von Alkohol- und Drogenmißbrauch, Zigarettenkonsum. Bei Personen in helfenden Berufen verbessert sich die Gabe der Einfühlung in seelische Vorgänge bei anderen Personen.

Die persönliche Erfahrung wird bei den meisten für längere Zeit Übenden zeigen, daß Meditation über diese geschilderten Effekte hinaus einen tiefenpsychologischen Reifungs-und Entfaltungsprozeß einleitet. So kann man durch Kindheitserlebnisse hindurchgehen, biographische Erfahrungen noch einmal durcharbeiten, und sich dann auch "nach oben" auf dem Entwicklungsweg öffnen, so daß man über transpersonale Erfahrungen mehr und mehr die tiefe VERBUNDENHEIT und EINHEIT ALLEN LEBENS erfährt. Länger geübte Meditation führt uns immer mehr in die Ruhe, ins Gleichgewicht. Und das macht es möglich, Sachverhalte klarer, ungetrübter durch unsere eige­nen Meinungen zu sehen und so leichter zu Konflikt- und Problemlösungen zu kommen. Manchen ist es auch geschenkt, zu einer tieferen SEINS-ERFAHRUNG, einer GOTTES-ERFAHRUNG (ERLEUCHTUNGS-ERFAHRUNG) zu kommen. Dies hängt zum Teil von der religiösen Motivation und Zielsetzung der meditativen Übung ab, es geschieht aber zuweilen auch bei Menschen, die keinerlei religiösen Glauben haben. Als Beispiel hierfür sei der folgende Erfahrungsbericht eines "ausgeflippten jungen Mannes, der durch einen schweren Verkehrsunfall ordentlich verunsichert war" angeführt:

"An jenem Abend, ich weiß weder Tag noch Monat genau, war ich zusammen mit meiner Schwester und meinem Freund. Nach stundenlangem Philosophie­ren und Diskutieren hatte ich auf einmal das Bewusstsein: Jetzt bin ich in dem Raum, wo die Gedanken ihren Ursprung haben. Und dann brach ES herein. Hier stoße ich auf die Grenzen der Sprache. Nenne ich es Licht, das strahlt wie der Klang einer silbernen Glocke, es trifft es nicht. ES, das sich aus sich heraus verschenkt, verstrahlt, - aus allem, auch aus dem seit zwei Tagen nicht geleerten Aschenbecher, aus dem Dreck am Boden und der Wand, - überall. Kein Unterschied mehr zwischen Außen und Innen, zwischen dem, was um mich herum geschah und mir. Wie lange? Keine Ahnung! Eine Minute - eine Ewigkeit - es ist dasselbe...Nach dem Erlebnis nahm ich als erstes meine Ohrringe, Armreif und Ketten ab; ich brauchte sie nicht mehr. Ich wollte ich selber sein. Dann das Bewusstsein, das alles erschütterte: GOTT war hier, hat sich mir gezeigt, geoffenbart." (Aus JÄGER, Willigis: KONTEMPLATION, OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG, S. 171 f.)
Von der ZIELSETZUNG her kann man also ZWEI FORMEN VON MEDITATION unter­scheiden:
a)  MEDITATION als KONZENTRATIONSSCHULUNG und als THERAPEUTISCHE METHODE, also von weltlichen Zielsetzungen her moti­viert
b)  KONTEMPLATIVE MEDITATION als religiös-spirituell motivierte Meditation, als MYSTISCHER WEG

Wer sich auf diese Form der Meditation, besonders der spirituellen Meditation, einlässt, sollte sich schon vorher klar machen, dass sich die positiven Wirkungen nur dann zeigen werden, wenn man Ausdauer und Geduld aufbringt und auch die Bereitschaft hat, durch Höhen und Tiefen hindurchzugehen. Es geht also bei der Meditation um das Einlassen auf einen lebenslangen Reifungsprozess, nicht um eine Übung, die "high" macht, schnelle Ekstase, schnellen Erfolg verspricht.
Abschließend ein wunderbarer Text zur Meditation von Dag Hammarskjöld, 1905 -1961, von 1953 -1961 General-Sekretär der UNO. Erst nach seinem Tod wurde aus Tagebuchaufzeichnungen bekannt, daß er Mystiker war. (Mit der Bezeichnung "Herr" ist natürlich nicht ein "alter Mann mit Bart im Himmel auf einem Thron sitzend" gemeint, sondern die TATSACHE der auf subtile und unsichtbare Weise alles be-herr-schenden WIRKLICHKEIT des WAHREN SELBST!)

DIE LÄNGSTE REISE IST DIE NACH INNEN 
Ich sitze hier vor Dir, HERR, aufrecht und entspannt, mit geradem Rückgrat. Ich lasse mein Gewicht senkrecht durch meinen Körper hinuntersinken auf den Boden, auf dem ich sitze. Ich halte meinen Geist fest in meinem Körper. Ich widerstehe seinem Drang, aus dem Fenster zu entweichen, an jedem anderen Ort zu sein als diesem hier, in der Zeit nach vorn und hinten auszuweichen, um der Gegenwart zu entkommen. Sanft und fest halte ich meinen Geist dort, wo mein Körper ist: Hier in diesem Raum. In diesem gegenwärtigen Augenblick lasse ich alle meine Pläne, Sorgen und Ängste los. Ich lege sie jetzt in Deine Hände, HERR. Ich lockere den Griff, mit dem ich sie halte, und lasse sie Dir. Für den Augenblick lasse ich sie Dir. Ich warte auf Dich - erwartungsvoll. Du kommst auf mich zu, und ich lasse mich von Dir tragen. Ich beginne die Reise nach Innen. Ich reise in mich hinein, zum innersten Kern meines Seins, wo Du wohnst. An diesem tiefsten Punkt meines Wesens bist Du immer schon vor mir da, schaffst, belebst, stärkst ohne Unterlaß meine ganze Person. GOTT, Du bist lebendig. Du bist in mir. Du bist hier. Du bist jetzt. Du bist. Du bist der Grund meines Seins. Ich lasse los. Ich sinke und versinke in Dir. Du überflutest mein Wesen. Du nimmst von mir Besitz. Ich lasse meinen Atem zu diesem Gebet der Unterwerfung unter Dich werden. Mein Atmen, mein Ein- und Ausatmen, ist Ausdruck meines ganzen Wesens. Ich tue es für Dich - mit Dir - in Dir. Wir atmen miteinander...

 

Literatur: YESUDIAN, S.R. & HAICH, E.: RAJA-YOGA (YOGA IN DEN ZWEI WELTEN), als erste Übungs-Einführung hervorragend geeignet.
SCHWÄBISCH, Lutz & SIEMS, Martin: SELBSTENTFALTUNG DURCH MEDITATION, Rowohlt Verlag
(beleuchtet das Thema aus der Sicht der HUMANISTISCHEN und TRANSPERSONALEN PSYCHOLOGIE)

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