Gustav Meyrink Einweihungsweg
Mit Gustav Meyrink (geboren am 19.01.1868 in Wien, gestorben am 4.12.1932 in Starnberg) fühle ich mich seit vielen Jahren ganz eng verbunden, seine mystischen Romane übten schon in ganz jungen Jahren eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus. Tatsächlich fügte es sich so, dass ich später eine ganze Reihe der darin beschriebenen Vorgänge und seelischen Entwicklungen und Transformationen am eigenen Leib und mit ganz realen Personen nachzuerleben schien. (Das wird auch von einigen anderen Leuten berichtet). Obwohl in den Romanen ja "ausnahmslos innere Geschehnisse" beschrieben sind, schienen sich hier die Grenzen zwischen Innen und außen zu verwischen. Dazu passt es, dass ich inmitten einer solch überaus kritischen archetypischen Erlebnisphase 1976, also 44 Jahre nach Meyrinks Tod, auf dem Starnberger Friedhof "zufällig" eine ehemalige Hausangestellte traf sowie einen Automechaniker, der als ganz junger Bursche Meyrinks Wagen repariert hatte. Beide erzählten mir von ihren Begegnungen mit Gustav Meyrink.
Elisabeth Haich bezeichnete Gustav Meyrink als den größten Eingeweihten im Westen und sie gab auch hin und wieder Einblicke in die spirituellen Wandlungen, die Gustav Meyrink in seinen Einweihungsromanen beschrieb. Darin ging es immer um die Lösung und Erlösung aus dualistischer Welt-Wahrnehmung, die sich ja am stärksten in der Polarität der Geschlechter manifestiert, von Meyrink meisterhaft packend und mitreißend geschildert! Hier ein paar Stichworte nach Elisabeth Haich zum spirituellen Roman "Der GOLEM" von Gustav MEYRINK: Athanasius Pernath, der "unsterbliche Wiedergeborene" erwacht im Ghetto, in der weltlichen dualistischen Umwelt (dazu E.H. : "Wie bin ich in der Haich-Familie erwacht?"). Er ist Gemmenschneider, das ist ein Künstler, der Gesichtsnegative in Stein hineinschneidet, das ist also er selbst, das heißt sein BEWUSSTSEIN, wie es normalerweise, wenn man nicht im SELBST ist, sich selbst im Gesicht wahrnimmt. Pernath hat drei Frauen, das heißt die "Sehnsucht nach einer Ergänzungshälfte" auf drei Ebenen: Rosa = sexuell, Angelika = seelisch, MIRIJAM= geistig. Er gibt Mirjam Brot, in dem ein Goldstück ist, also geistige Nahrung. In diesem Haus, in dem er lebt, entdeckt er plötzlich eine Tür, die hinunter, also tief nach innen führt. Er steigt hinunter und wandert in vielen Gängen umher (Erforschen der Innenwelt) und kommt dann in das Zimmer ohne Zugang mit den zwei Fenstern. Mit den Fenstern sind die Augen gemeint, das Zimmer ohne Zugang ist also sein eigener Körper; der Schornstein, aus dem es am Haus raucht, ist sein Verstand: Der Verstand ist nur das kleine Licht im Gegensatz zur Sonne der wahren Erkenntnis. In diesem Zimmer ohne Zugang sieht er plötzlich mit den Augen des GÖTTLICHEN SELBST seine Person (= den PAGAT, die erste TAROT-Karte, die ja das erste Bewusstwerden bedeutet) und spricht zu ihr. Der GOLEM ist das CHRISTUS-SELBST. Als der Strick reißt, mit dem er am Schornstein des Verstandes festgebunden ist, findet Pernath Mirjam endlich, endlich im Zimmer ohne Zugang, das heißt ganz tief in sich selbst. Das Bewusstwerden im SELBST und Wiedervereinigung der beiden Ergänzungshälften ist dasselbe!
Tiefe Einblicke in seinen persönlichen spirituellen Weg gibt Meyrink im Sammelband: "An der Grenze des Jenseits - Die Verwandlung des Blutes: Zwei Essays zu den Themen Okkultismus und Yoga", die Ausführungen darin können für jeden spirituellen Sucher wertvoll sein und sind von überraschender Aktualität.
Auszug aus Hochstapler der Mystik: "Mit einemmal hob der Prophet — es war schon wieder einer, wie ich gleich befürchtet hatte — die zottige Faust, schlug auf den Tisch und sagte dumpf: »Uech bün!« Lebhaft unterbrach ich: »Ich auch!« Wotan aber ließ mich nicht zu Wort kommen, hieb von neuem in die Luft und rief noch dumpfer: »Uech bün der Weg, die Wahrheit und das Leben.« [Johannesevangelium 14, 6] — Ich versank in Nachdenken und fragte alsdann beklommen: »Mm, hat das nicht schon einmal ein — anderer vor Ihnen gesagt?« — Das Opferlamm machte ein erwartungsvolles Näschen. Endlich kam es gemessen und weihevoll hinter dem Raubtiergebiss des Pelzmantels hervor: »Uech bün Jesus Christus!« — »Ei!« war das einzige, was ich zu erwidern vermochte, aber so anspruchslos der Ausruf auch war, er schien den Propheten seltsamerweise zu verwirren, wenigstens legte sich seine Stirn in Gramesfalten, soweit sich dies angesichts ihrer Niedrigkeit ermöglichen ließ. Ermutigt fuhr ich fort: »Wenn Sie das wirklich sind, mein Herr, dann wird es Ihnen fraglos ein leichtes sein, auf dem Wasser zu gehen?!« — ich deutete auf den See hinaus, der spiegelglatt auf ein Wunder zu harren schien. — »Hier ist Wasser! Bitte zu wandeln! Lassen Sie sich um Himmelswillen nicht abhalten!« — Tief versonnen spähte der Prophet ins Weite. Dann sagte er, ein Kindergesicht mimend, wider Erwarten ehrlich und offen: »Das ist ja eben das Sonderbare, dass ich bis heute dergleichen noch nicht fertigbringe!«
Und weiter unten in diesem Text, zur Frage der wahren Führer: "Gibt es nun überhaupt echte Gurus? Mag sein. Ich bin noch keinem begegnet. Nur solchen, die sich dafür ausgeben. Dasselbe negative Resultat hat auch ein indischer Freund von mir erzielt, als er ganz Indien durchreiste, um einen echten Guru zu finden, vom südlichsten Punkt bis weit hinauf nach Norden, nach Tibet, Kashmir und Westchina; vom äußersten Westen bis Siam, Birma und Korea. — »Gurus habe ich wohl zu Hunderten gefunden«, schrieb er mir einmal, »aber nicht einen einzigen, der diesen heiligen Namen verdient hätte.« Welch große, fast unbegreifliche Anziehungskraft gewisse Hochstapler der Mystik auf sehnsuchtserfüllte Gemüter auszuüben vermögen, davon hier ein kleines Beispiel: Vor einiger Zeit trat ein Mensch in Paris auf, der sich Diordjeff4 oder so ähnlich nannte. Orientale — selbstverständlich: hoher Eingeweihter: noch selbstverständlicher!" Und so weiter... Der gesamte Text steht hier: http://www.payer.de/religionskritik/meyrink06.htm
Jedem, der sich für Gustav Meyrink interessiert, empfehle neben den Werken und mystischen Romanen die die wohl gründlichste und umfangreichste Biographie von Hartmut Binder: "Gustav Meyrink - ein Leben im Banne der Magie", Vitalis Verlag, Prag. Hier ein Auszug aus dem Umschlagtext: "Der große Satiriker und Schöpfer bedeutender phantastischer Literatur wird damit von den vielen sich um ihn rankenden Legenden befreit, die seine Gestalt bisher verschleierten, und anhand einer Fülle bisher weitgehend unbekannter Schriftzeugnisse und Archivmaterialien ins Licht verbürgter Tatsachen gestellt. Die allein auf Fakten gegründete, um zahlreiche historische Abbildungen ergänzte, auf langjährigen Recherchen beruhende Untersuchung zeigt den Dandy, Sportsmann, Bankier, Mystiker und Schriftsteller Meyrink in allen Phasen seines Lebens, das ihn von München über Hamburg, Prag, Wien und Montreux wieder zurück in die bayerische Metropole und schließlich an den Starnberger See führte. Besonders ausführlich sind die in der alten Kaiserstadt an der Moldau verbrachten Jahre Meyrinks dokumentiert, denn ihr Legenden- und Figurenschatz bildet den Nährboden für seinen Golem-Roman, der ihm zu Weltruhm verhalf. Aber sie war auch Schauplatz eines von ihm verursachten Gesellschaftsskandals und eines Strafprozesses, der ihn in Untersuchungshaft brachte, ihn finanziell ruinierte und ihm Stoff für seine Simplicissimus-Beiträge lieferte, mit denen er sich als Autor etablierte."